Dass die Welt ein verflixt unübersichtliches Sammelsurium unterschiedlichster Einzelteile ist, hat ordnungsliebende Geister zu so schönen Erfindungen getrieben wie dem Papierkorb und dem Strukturalismus. In beide kann man hineinstopfen, was vorher lose umherflatterte, immer in der Hoffnung auf Klarheit und Überblick. Das muss nicht in Putzneurose und Ablagenfetischismus enden. Der Fotoband “Endcommercial” ist ein Buch, in dem es viele Papierkörbe und einigen Strukturalismus gibt, und das dennoch spielerisch, humorvoll und augenöffnend wirkt (544 S., 39,80 Euro, Hatje/Cantz).

Die drei Fotografen Florian Böhm, Luca Pizzaroni und Wolfgang Scheppe unternehmen mit diesem unterhaltsamen Wälzer etwas leicht Größenwahnsinniges: Sie ordnen New York. Da alle drei in der Megacity leben und arbeiten, hatten sie reichlich Gelegenheit, hunderte von Bildern zu sammeln für Kapitel wie “Stahl”, “Einkaufstüten”, “Autotüren”, “Schreibfehler”, “Aussterbende Märkte”, “Diversität” und viele mehr. Ihre Motive vermeiden jeden Glamour und thematisieren meist das untere Ende wirtschaftlicher und urbaner Prozesse, doch nichts daran ist düster depressiv, im Gegenteil. Die schier endlose Parade von Zeichen, Menschen und Dingen verrät eher ungezügelte Neugier und Lust am genauen Hinsehen. Und irgendwann im Laufe der vielen hundert Bilder dämmert wohl auch dem letzten Ordnungsfanatiker, dass er dankbar sein sollte für das Chaos ringsum - sonst gäbe es ja nichts mehr zu strukturieren.

Mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Zeitung www.stuttgarter-zeitung.de